Hugues de Montalembert: Der Sinn des Lebens ist das Leben

New York, 1978. Es ist Abend. Hugues de Montalembert ist auf dem Heimweg. Oft hat er von Überfällen und brutaler Gewalt gelesen. Reportagen im Fernsehen geschaut. Doch kein Mensch denkt daran, dass er selbst irgendwann das Opfer sein könnte. Tiefgreifende Einschnitte in das eben noch völlig normale Leben erleiden könnte.

Der Sinn des Lebens ist das Leben, DümontHugues de Montalembert ist Maler, Fotograf, Filmemacher. Ein visueller Mensch durch und durch. Bis zu dem Moment, an dem er von zwei Männern überfallen wird. In seiner Wohnung waren sie vermutlich auf der Suche nach Geld für ihren Drogenkonsum. Als sie nichts finden rasten sie aus. Ihre ganze Wut richtet sich jetzt gegen den Künstler.

Während Hugues de Montalembert sich mit einem Schürhaken gegen den größeren der beiden Angreifer zur Wehr setzt, lässt er den vermeintlich ungefährlicheren Einbrecher aus den Augen. Ein fataler Fehler, wie Hugues schmerzhaft erkennen muss, als der zweite Täter im Farblöser ins Gesicht schüttet.

Plötzlich Blind

Seine durchdringenden Schmerzensschreie treiben die Angreifer schließlich in die Flucht. Noch auf dem Weg zur Dusche merkt Hugues de Montalembert wie sein Augenlicht schwindet. In der Klinik dann die ernüchternde Wahrheit:

Hugues de Montalembert wird nie wieder sehen können.

Ich lese sehr viel. Einige wenige Bücher sind so na ja, viele sind gut, einige sehr gut. Und dann gibt es da immer mal wieder die Ausreißer. Meist sind es kleine stille Bücher, die mich nachhaltig beeindrucken. “Der Sinn des Lebens ist das Leben” von Hugues de Montalembert steht ab sofort auch auf meiner Liste der besonderen Bücher.

Wir zehren von dem, was wir gesehen haben

Erstaunlich sachlich und klar schildert der Autor, wie er mit dem Verlust seines Sehvermögends klar gekommen ist. Ohne Jammern, ohne Verzweiflung. Dafür mit beeindruckender Selbstanalyse, warum er trotz des massiven Eingriffs in sein Leben nicht verzweifelt ist.

“Ich habe schon so viel gesehen”, ist seine Antwort auf die Frage der Ärzte, weshalb ausgerechnet er als extrem visuell veranlagter Mensch durch den Verlust seines Augenlichts nicht am Boden zerstört sei.

Genau das nehme ich aus “Der Sinn des Lebens ist das Leben” mit. Mein Leben möglichst so zu leben, dass es nicht vieles gibt, was ich bedauern müsste, wenn sich etwas grundlegend daran ändert. Ob das gelingt? Ich hoffe, ich werde es nie evaluieren müssen.

Eine ganz klare Leseempfehlung

Von mir bekommt “Der Sinn des Lebens ist das Leben” eine ganz klare Leseempfehlung. Es ist ein Buch das Mut macht und ein Autor, der sich darin ganz tief in seine Seele blicken lässt.

Hugues de Montalembert

Hugues de Montalembert, geboren in Frankreich, ist Maler und Fotograf. 1978 erblindete er vollständig nach einem Überfall in New York. Bisher veröffentlichte er den biographischen Roman ›Das geraubte Licht‹ (1987). Außerdem basiert der englische Dokumentarfilm ›Black Sun‹ (2005) auf seiner Geschichte. Hugues de Montalembert lebt in Paris.

Anke Kreutzer studierte Anglistik, Germanistik und Kunstwissenschaft. Neben ihrer Tätigkeit als Übersetzerin leistet sie internationale Friedensarbeit, u.a. für die UNO. Eberhard Kreutzer studierte Anglistik, Germanistik und Sprachwissenschaft. Er war Professor für Anglistik und übersetzt zusammen mit seiner Frau Anke Kreutzer aus dem Englischen.

Buchinfo: Der Sinn des Lebens ist das Leben von Hugues de Montalembert, erschienen bei Dumont, 23. Juni 2015, 128 Seiten, 9,99 €, ISBN 978-3-8321-6324-2


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