Lilly Bernstein: Sturmmädchen

1933 in der Eifel. Die drei unzertrennlichen Freundinnen Elli, Margot und Käthe genießen einen unbeschwerten gemeinsamen Sommer. Doch der erstarkende Naziterror wirft seine ersten Schatten voraus. Schatten, die das Verhältnis der Mädchen zueinander auf eine harte Probe stellen wird.

Elli lebt gemeinsam mit ihrer Mutter, einer Hebamme, auf dem Hof eines angesehenen Bauern des Dorfes. Dort haben sie gerade so ihr Auskommen. Viel kann Elli nicht dazu beitragen. Nach einer Infektion als Kind hat sie einen verkümmerten Fuß und ist damit deutlich eingeschränkt. Im Dorf nennt man sie “das Hinkemädchen” und schaut sie scheel an.

Immer öfter hört Elli am Abend gröhlende Männerstimmen. Man erzählt sich, immer mehr Nachbarn würden der NSDAP beitreten. Auch Käthes Familie ist stramm auf Parteikurs. Dabei machen längst Berichte über die Willkür und die Einschüchterungsversuche der braunen Bande die Runde. Wer der Parteispitze nicht gefällt, hat nichts zu lachen. Schnell ist auch Elli wegen ihrer Behinderung im Fokus des Interesses, aber ihre Mutter kann ihre Beziehungen – die sie aus irgendwelchen Gründen hat – spielen lassen. Schließlich ist Elli ja nur körperlich eingeschränkt und nicht geistig.

Anders geht es Margot. Sie ist Jüdin. Anfangs schützt der berufliche Einfluss ihres Vaters die Familie noch vor Repressalien, aber von Monat zu Monat wird die Situation schwieriger. Das kann Elli zwischen den Zeilen der Briefe lesen, die sie austauschen. Als Margot plötzlich vor der Tür steht, bricht das Kartenhaus zusammen. Längst hat man ihnen ihr Haus und ihre Wertgegenstände genommen. Der Vater ist auf der Straße Freiwild für die Schergen der Partei. Und zu allem Überfluss ist Margot jetzt auch noch schwanger.

Die Nazizeit macht mich immer noch fassungslos

Mit Sturmmädchen hat Lilly Bernstein wieder einen packenden, emotional aufwühlenden Roman über die Gräueltaten der Nazizeit abgeliefert. Während ich ihn gelesen habe, ist mir wieder so eindringlich die Parallele zur aktuellen Entwicklung in Deutschland und Europa aufgefallen. So eindringlich, dass ich mit der Gänsehaut zu kämpfen hatte. Immer wieder.

Die Geschichte von Elli, Margot und Käthe zeigt, wie wichtig es ist, dass wir unsere Demokratie schützen, wenn wir auch in Zukunft ein freies, selbstbestimmtes Leben führen wollen. Egal welche Haut-, Haar- oder Augenfarbe wir haben. Wen wir lieben und mit wem wir leben wollen. Ob wir körperlich und geistig topfit sind oder Einschränkungen haben.

Sturmmädchen von Lilly Bernstein ist ein packender Roman zur rechten Zeit. Sturmmädchen ist nach Findelmädchen der zweite Roman von Lilly Bernstein, den ich lese.

Lilly Bernstein

Lilly Bernstein ist das Pseudonym der Kölner Journalistin und Autorin Lioba Werrelmann, deren Debütroman Hinterhaus 2020 mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet wurde. Ihre Romane Trümmermädchen und Findelmädchen waren große Presse- und Publikumserfolge.

Buchinfo: Sturmmädchen von Lilly Bernstein, erschienen bei Ullstein Paperback, 01.02.2024, 416 Seiten, Klappenbroschur, € 16,99, ISBN 978-3-86493-232-8. Danke für das Leseexemplar.


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