Dass das deutsche Schulsystem Defizite hat, wissen wir schon lange. Wie massiv diese Defizite sind, hat die Corona-Pandemie sehr eindringlich gezeigt. Neben fehlender technischer Ausstattung, mangelhafter Qualifikation bei Lehrenden, digitalen Konzepten, erstickt auch die schlechte Netzabdeckung in Deutschland viele Bemühungen im Keim.

Corona stellte und stellt uns alle vor große Herausforderungen. Wir müssen unsere Kontakte beschränken, weil das das effektivste Mittel ist, andere vor einer Infektion zu schützen. Gleichzeitig soll aber auch so viel wie möglich weiterlaufen. Im Job, in der Wirtschaft allgemein und natürlich auch in der Schule. Doch das ist leichter gesagt als getan.
Der erste Lockdown im Frühjahr 2020 hat offenbart, wie schlecht die Schulen für Distanzunterricht und digitales Lernen gerüstet sind. Zum einen liegt das natürlich an der Digitalisierung in Deutschland. Hier gibt es noch viel zu tun. Zu viele Regionen haben kein schnelles Internet, viele Schulnetzwerke sind für die Anforderungen zu niedrig ausgelegt.
Schule ist da, wo der Tafelschwamm müffelt
Aber es gibt auch noch einen anderen Grund. Würde heute jemand aus dem frühen 19. Jahrhundert eine deutsche Schule betreten, er könnte die Klassenräume vermutlich problemlos zuordnen. Eine Tatsache, die Daniel Jung nicht nachvollziehen kann. Unsere Welt hat sich so sehr geändert, aber ausgerechnet da, wo wir die Weichen für die künftige Entwicklung unserer Gesellschaft stellen, bestimmen weiter müffelnde Tafelschwämme den Alltag.
Und noch immer ist es so, dass neuer Stoff ein Mal für alle erklärt wird. Vertieft wird dann daheim mit den Hausaufgaben. Alleine. Einer der größten Fehler, wie Jung zu Recht sagt. Denn wäre es nicht sinnvoller, Schülerinnen und Schüler würden sich durch Video-Tutorials mit den Basics vertraut machen und die wertvolle Präsenzzeit wird für die individuelle Vertiefung genutzt? Für Gespräche, in denen Lehrende ganz direkt auf die jeweiligen Bedürfnisse eingehen, Lücken identifizieren und diese gemeinsam schließen.
Das hätte auch den Vorteil, dass sich jeder ganz individuell seinen Tutor aussuchen könnte. Also den “Lehrer” oder die “Lehrerin”, die den jeweiligen Stoff so vermittelt, wie es den Denkstrukturen des jeweiligen Kindes entspricht. Egal, ob das Video von älteren Schülern, Studierenden oder Lehrenden erstellt wurde.
Dabei ist es meiner Meinung nach wichtig, dass nur aus einem Pool geschöpft werden kann, dessen fachliche Qualität geprüft ist. Daniel Jung regelt das auf seinen eigenen Plattformen, indem er es anderen Tutoren ermöglicht, seine Videos zu bewerten und zu “korrigieren”. Einen Anspruch, den Jung auch an andere Fachbereiche stellt.
Kurzum: Wer keine Strategie für digitalen Unterricht hat, kann sich aus Let’s rock education von Daniel Jung sicher Inspiration holen. Viele seiner Ansätze fand ich sehr logisch und es hat mich eher gewundert, wieso man darüber überhaupt diskutieren muss. Jedenfalls muss sich im deutschen Bildungssystem dringend mehr bewegen. Und das schneller als vor Corona.
Daniel Jung
Daniel Jung ist laut FAZ der „Rockstar der Mathematik“ und Vorreiter der digitalen Bildung. Auf seinem Youtube-Kanal bietet er rund 2300 Mathematik-Tutorials an; sein Kanal hat 500.000 Abonnenten und mehr als 160 Millionen Aufrufe. Damit ist er einer der erfolgreichsten YouTuber Deutschlands im Bildungsbereich. Aber auch außerhalb von YouTube engagiert sich Daniel Jung. Er ist Referent zum Thema Bildung, Motivation und E-Learning, sitzt in der Jury der Google Impact Challenge und arbeitet eng mit Unternehmen wie z. B. der Sparkasse zusammen. An einigen Universitäten in Deutschland und der Schweiz ist er maßgeblich an der Entwicklung von Mathe-Kursen beteiligt. Daniel Jung ist Markenbotschafter von Unicon 2019 und gilt als einer der weltweit führenden Köpfe im Bereich Bildung und Technologie. Zudem ist er Mitgründer von StudyHelp, das Crashkurse anbietet, um z.B. das Wissen kurz vor dem Abi aufzufrischen. Bei allem, was er tut, hat Daniel Jung stets eine Vision vor Augen: Bildung attraktiv zu gestalten und der digitalen Welt von Jugendlichen und jungen Erwachsenen anzupassen.
Buchinfo: Let’s rock education von Daniel Jung, erschienen bei DROEMER, 02.03.2020, 240 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, € 20,00, ISBN 978-3-426-27815-4. Danke für das Leseexemplar.
Kommentar verfassen