Max Korn: Talberg

Es ist mitten in der Nacht, als Elisabeth durch lautes Poltern an der Tür aus dem Schlaf gerissen wird. Der Schwiegervater will sie abholen und mit ihr und weiteren Dorfbewohnern noch zum Turm, den ihr Mann hat erbauen lassen. Der Turm, der ihn jetzt das Leben gekostet hat.

Talberg 1935 von Max Korn

In Talberg sind die Winter lang und kalt und selbst im Sommer wird es nur selten richtig hell. Die dicht bewaldeten Hänge des Friedrichsbergs lassen nur wenig Sonne ins Dorf und in die Herzen der Dorfbewohner. Das Leben ist karg und hart. Und es wird dominiert von einigen Mächtigen, wie zum Beispiel Josef Steiner, Elisabeths Schwiegervater. Der despotische Kerl ist immer wütend, eher noch bösartig. Nie sieht man ihn ohne seinen fast mannshohen Holzstock, den er hemmungslos gegen alles einsetzt, was seinen Zorn erregt. Egal, ob es die Kühe, der Hund, die Knechte und Mägde oder seine Familie ist.

Entsprechend vorsichtig ist Elisabeth, als der Alte mitten in der Nacht gegen ihre Tür poltert. Ausgerechnet jetzt, wo sie alleine ist. Ihr Mann, der Schullehrer im Dorf, hat das Haus schon am Nachmittag verlassen und ist noch nicht wieder zurück. Wie auch. Denn zu dem Zeitpunkt liegt er bereits tot oben am Berg. Herabgestürzt von seinem Turm, den er mit viel Aufwand hat bauen lassen. Elisabeth ist sofort klar, dass diese Nacht ihr Leben komplett verändern wird. Wie sehr, ahnt sie noch nicht.

Im Dunkeln fühlt sich das Böse wohl

Bei Talberg 1935 musste ich dreimal ansetzen, bis ich den Zugang hatte. Es gibt ja solche Bücher, die man anfangs etwas störrisch empfindet. Dafür hat mich das Buch aber dann umso fester gepackt.

Eindringlich wird der Hauch des Bösen, der über dem Dorf liegt, geschildert. Beim Lesen konnte ich mich der permanenten Bedrohung, der Elisabeth, die Hauptperson, ausgesetzt war, nicht entziehen. Wegen ihrer Herkunft verachtet, als Hexe verschrien, wegen ihrer Schönheit beneidet. Dabei ist das vermeintlich behütete Leben an der Seite des Dorfschullehrers alles andere als behütet. Oft ist er gereizt und lässt seine Unzufriedenheit nicht nur an den Schulkindern aus.

Und dann ist da noch sein Bruder. Sein Name steht immer noch auf dem Gedenkstein für die Jungs und Männer des Dorfes, die aus dem großen Krieg nicht mehr zurückgekommen sind. So lange war er verschollen, dass niemand mehr mit seiner Rückkehr rechnete. Und tatsächlich kam ein ganz anderer Mensch zurück. Einer, der dem Grauen täglich ins Auge schauen musste. Der seinen Arm verloren hat. Und sein Menschlichkeit. Um zu bekommen, was er möchte, geht er jetzt über Leichen.

Ich glaube, niemand von uns kann sich vorstellen, was Menschen in einem Krieg durchmachen mussten und müssen. Weder in den beiden Weltkriegen, noch in jüngeren Kriegen wie zum Beispiel aktuell in der Ukraine. Das Grauen kann nicht spurlos an den Menschen vorübergehen, es verändert sie nachhaltig. Dass das in Talberg 35 von Max Korn vor dem Erstarken der Nazis und dem aufziehenden Zweiten Weltkrieg passiert, zeigt uns umso eindrücklicher, wie wichtig es ist, den rechten Bewegungen in unserem Land klare Grenzen zu setzen. Sie dürfen ihren Hass und ihre Hetze nicht ungehindert weiter verbreiten und damit die Unsicheren in unserer Gesellschaft noch mehr ins Wanken bringen.

Von mir bekommt Talberg 1935 von Max Korn auf jeden Fall eine Leseempfehlung.

Max Korn

Max Korn ist das Pseudonym eines deutschen Autors. Seine Romane stehen regelmäßig in den Top 20 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Einen Teil seiner Jugend verbrachte Korn in dem kleinen Ort Thalberg im Bayerischen Wald, dessen Geschichte und Legenden ihn zu seiner großen neuen Spannungstrilogie inspirierten.

Buchinfo: Talberg 1935 von Max Korn, erschienen bei Heyne, 15. November 2021, 400 Seiten, Klappenbroschur, € 15,00, ISBN: 978-3-453-42459-3. Danke für das Leseexemplar.


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