Pötzsch, Pötzsch, war da nicht was? Dieser Gedanke wird wohl den meisten Lesefans durch den Kopf schießen, wenn sie den Namen lesen. Ja, da war oder vielmehr da ist was. Oliver Pötzsch ist euch wegen seiner Henkerstochter-Saga ein Begriff. Seine Bücher um den Schongauer Henker Jakob Kuisl sind immer wieder Bestseller.
Und dieser Autor macht jetzt auch auf komisch? Jein! Denn komisch war der Anlass für “Meine Kur hat einen Schatten” auf keinen Fall. Es sein denn, man hat einen sehr morbiden Sinn für Humor und findet einen Herzinfarkt komisch.
Atemlos durch die Nacht
Die Veröffentlichung seines fünften Buches steht unmittelbar bevor. Die Promo-Tour ist schon geplant. Oliver Pötzsch ist auf dem Höhepunkt seines bisherigen Autorendaseins, als das Schicksal dem 1970 Geborenen einen ordentlichen Tritt verpasst. Die Diagnose: Angina Pectoris!
Zwei Tage später ist Pötzsch bereits im Krankenhaus und muss ich mit Begriffen wie
- Kathederuntersuchung
- Bypass
- Infarkt
- Stent
- Ganzkörperrasur
- Einlauf
auseinandersetzen.
Und wir gleich mit. Denn Oliver Pötzsch nimmt uns mit ins Krankenhaus und – vor allem – in die anschließende Kurklinik.
Suppenkasper am Rande des Wahnsinns
Hautnah sind wir dabei, wenn Pötzsch sich durch die Morgengymnastik mit großen, schwitzenden, haarigen Oberpfälzern quält. Wenn er mit Fertigsuppenbechern Hochleistungsballsport betreibt und sich in die Welt der Entspannungstechniken einführen lässt.
Wir lernen Rolf, den Hausmeister, Luigi, den LKW-Fahrer und Venen-Elli kennen. Alle bekennende Kettenraucher und Kurprofis.
Auch das Unterhaltungsprogramm bleibt kein Buch mit sieben Siegeln. Am Wochenende kommt der Bier-Dealer. Beim Country-Abend gibt es Damenwahl. Und beim “public viewing” fast den nächsten Herzinfarkt.
Doch bei allem Witz, aller Ironie und Schnodderigkeit gestattet und Oliver Pötzsch auch einen tiefen Blick in sein Inneres. Er erzählt von seiner Angst, neue Anzeichen nicht rechtzeitig zu bemerken. Von seiner Unsicherheit, unterschiedliche Schmerzarten richtig zuordnen zu können. Was ist eine Folge der Operation an sich und was ein Warnsignal, dass mit dem Herzen wieder etwas nicht stimmt?
Viel mehr als nur witzig
“Meine Kur hat einen Schatten” ist amüsant, selbstironisch, lästerlich, aber längst nicht nur Klamauk. Es ist ein wichtiges Buch, das zeigt: Den klassischen Infarktpatienten gibt es nicht. Ein Punkt, der nicht nur für das Thema Herzerkrankungen gilt. Und es ist ein ein Stück weit Therapie-Ersatz.
Ein mutiges und ehrliches Buch.
Danke dafür, Oliver Pötzsch.
Oliver Pötzsch
Oliver Pötzsch, geboren 1970, war jahrelang als Filmautor für den Bayerischen Rundfunk tätig. Heute widmet er sich ganz dem Schreiben. Seine historischen Romane um den Schongauer Henker Jakob Kuisl haben ihn weit über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht. Der 6. Band der Reihe erscheint im Januar 2016. Oliver Pötzsch lebt in München.
Buchinfo: Meine Kur hat einen Schatten von Oliver Pötzsch, erschienen bei mvg Verlag, März 2016, 192 Seiten, 14,99 Euro, ISBN 978-3-86882-663-0. Vielen Dank für das Leseexemplar.
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