Naomi ist eine begnadete Biotech-Wissenschaftlerin. Nach der Trennung von ihrem Mann Ryan, einem Geheimdienstler, lebt sie mit ihrem Sohn Colt in der Wüste Nevadas. Als Naomi ihre Forschung der Öffentlichkeit zugänglich machen will, gerät sie ins Visier des Staatsschutzes. Für sie und Colt beginnt ein Wettlauf mit der Zeit.

Naomi lebt mitten in der Wüste Nevadas. Die Entscheidung für diese Abgeschiedenheit fiel ganz bewusst, denn ihr Sohn Colt hat Probleme. Der Umgang mit anderen Menschen fällt ihm schwer. Er hat Probleme, ihre Gesichter zu lesen, ihre Witze zu verstehen, Metaphern übertragen zu können. Richtig wohl fühlt er sich nur in der virtuellen Welt, die er selbst erschaffen hat. Denn Colt hat eine ausgesprochene Inselbegabung fürs Programmieren. Das von ihm entwickelte Game wird weltweit gespielt, die Nutzer sind fasziniert von seiner Detailverliebtheit. Alles muss optimal passen. Lichteinfall, Bewegungsmuster, olfaktorische Reize, einfach alles. Dabei steigert er sich so in die Arbeit, dass Naomi ihn sogar ans Essen und Trinken erinnern muss.
Doch Colt ist alles nicht gut genug. Er kommt nicht schnell genug voran, fühlt sich durch sein eigenes Gehirn ausgebremst. Helfen kann ihm die Forschung seiner Mutter. Doch die ist längst noch nicht in der klinischen Phase. Und sie weigert sich entschieden, ihn als Versuchskaninchen zu benutzen. Also bringt er sie dazu, ihr Wissen mit der Öffentlichkeit zu teilen. Während Naomi aus dem Haus ist, will seine Optimierung selbst durchführen. Welcher Gefahr er seine Mutter und sich selbst dadurch aussetzt, ahnt er nicht.
Wow, das war speziell!
Wow, das war ein spezielles Buch! Bis Colt seine Selbstoptimierungsversuche gestartet hat, wusste ich nicht so recht, wohin es mich führen sollte. Ab dem Punkt war ich Connect von Julian Gough verfallen. Mega spannend und so ganz anders als die Thriller, die ich meist lese.
Ich selbst bin keine Gamerin, IT-technisch aber gut genug, um Connect flüssig lesen zu können. Auch mein Biochemie-Hintergrund war hilfreich, wenn es um Naomis Forschung ging. Die ich übrigens faszinierend fand.
Spannend auch die Entwicklung unserer Zukunft, in der die künstliche Intelligenz viele Aufgaben übernimmt, sich aber auch permanent selbst optimiert. Nicht nur in die Richtung, die wir uns vielleicht wünschen würden, aber immer hin zu mehr Effizienz. Bis zu der Stufe, die nötig ist, die Welt wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
KI als System der Systeme?
Diese finale Stufe hat mich erst schockiert. Darf es je soweit kommen, dass ein “System der Systeme” über unsere Zukunft bestimmt? Dann habe ich mir die Entwicklungen der letzten drei bis vier Jahre vor Augen gerufen. Die zunehmende Hemmungslosigkeit in Sachen Hass und Bösartigkeit. Das Erstarken von Populisten. Die Schmutzkübel, die über Greta Thunberg ausgeschüttet werden. Aus Angst, auch nur auf das kleinste Stückchen Bequemlichkeit und Wohlstand verzichten zu müssen um langfristig die Zukunft zu sichern. Wäre es da nicht wirklich besser, wenn eine künstliche Intelligenz würde rein logisch, ohne persönliche Befindlichkeiten die Ding “in die Hand” nehmen und für Gerechtigkeit sorgen? Ich grübele darüber, seit ich die letzte Seite umgeschlagen habe.
Connect von Julian Gough ist für mich ein absolutes Ausnahmebuch. Wer sich Gedanken um die Welt von morgen macht, sollte es lesen.
|| Ich würde mich übrigens freuen, wenn ihr euch – bei Interesse – dieses Buch im regionalen Buchhandel bei euch vor Ort bestellt. Damit steigen die Chancen, dass wir Buchfans auch in Zukunft noch gelegentlich dort bummeln und stöbern können. ||
Julian Gough
Julian Gough, geboren 1966 in Irland, aufgewachsen in der Nähe von London, war Sänger der Rockgruppe »Toasted Heretic«, schrieb Romane, Gedichte, Kinderbücher (»Rotzhase und Schnarchnase«) und die Geschichte, die das Computerspiel »Minecraft« abschließt (Minecraft End Game Poem). 2007 gewann er den National Short Story Award der BBC. Sein von der Presse gefeierter Roman »Connect« erscheint in zahlreichen Ländern. Julian Gough lebt in Berlin.
Aus dem Englischen von Karl-Heinz Ebnet.
Buchinfo: Connect von Julian Gough, erschienen bei C. Bertelsmann, 16.09.2019, 624 Seiten, Hardcover, € 22,00, ISBN: 978-3-570-10297-8. Vielen Dank für das Leseexemplar.
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