Artur Dziuk: Das Ting

Stell dir vor, du hast eine App, die dir lebensnotwendige Tipps gibt. Wo drohen Gefahren für deine Gesundheit? Wie soll ich beim Bewerbungsgespräch reagieren. Die dir rät, dich von deinem Partner zu trennen. Vier junge Berliner haben dieses Tool entwickelt und folgen den Empfehlungen. Bedingungslos.

9783423230063Linus ist auf dem Weg zum Assessment Center. Wieder einmal. Dieses Mal muss es klappen. Kira, seine große Liebe, wünscht es sich so sehr. Seine Arbeitslosigkeit belastet die Beziehung. Dabei würde er sich viel lieber voll und ganz dem Ting widmen. Seinem Tool, seinem Baby, das körperbezogene Daten seiner Nutzer sammelt und daraus Handlungs- und Entscheidungsempfehlungen ableitet. Linus ist sich sicher, dass das Ting wie eine Bombe einschlagen würde, wenn er endlich interessierte Investoren finden und seine komplette Zeit seinem Projekt widmen könnte. Doch erst muss er dieses Bewerbungsverfahren bei Strindholm Consulting überstehen. Alles andere sind aktuell Wunschträume.

Das Ting nimmt Fahrt auf

Tage später. Das Assessment Center lief schlecht. Linus hat es nicht bestanden. Trotzdem hat sich Strindholm Consulting als Glücksgriff erwiesen. Er hat nicht nur Adam, seinen früheren Partner bei der Entwicklung des Ting, wiedergetroffen, sondern konnte auch Kasper Strindholm, den Sohn des Firmeninhabers, als ersten Geldgeber von sich überzeugen. Gemeinsam mit Liu, einer begnadeten Entwicklerin, stürzen sie sich in das Projekt. Wegen der begrenzten Ressourcen beschließen die vier Gesellschafter, den Beta-Test des Ting auf sich selbst zu begrenzen. Um wirklich belastbare Ergebnisse auswerten zu können, verpflichten sich alle vier dazu, jeder Empfehlung des Ting bedingungslos zu folgen. Wer sich nicht an diese Vorgabe hält, verliert seine Anteile am Unternehmen. Ein Entscheidung mit verhängnisvollen Konsequenzen.

Das Ting von Artur Dziuk ist das dritte Buch zu digitalen Träumen, das ich innerhalb weniger Wochen lese und wieder war ich sofort mit jeder Faser dabei. So sehr mich die Idee, ein Tool zu haben, was auf mich achtet und mir in entscheidenden Situationen speziell auf mich zugeschnittene Tipps gibt, reizen würde, so sehr schreckt sie mich auch.

Fühle ich mich fremdbestimmt?

Merke ich, wenn sich die künstliche Intelligenz dahinter “ihre eigenen Gedanken” macht? Mich dazu bringt, Dinge zu tun, die diesem System gut tun aber nicht unbedingt mir. So, wie es Linus mit Kira ergeht. Wie reagiere ich, wenn mein Gefühl sich gegen die “Anweisung” sträubt. Und will ich wirklich wissen, ob ich vielleicht eine schwere, unheilbare Erkrankung in mir trage, von der ich ohne das Tool aber möglicherweise noch Jahre nichts wüsste. Könnte ich mit dem Wissen darum noch unbeschwert leben?

Spannend fand ich auch, die Entwicklung von Linus, Adam, Liu und Kasper zu beobachten. Artur Dziuk schildert in jedem Kapitel den Stand der Dinge aus der Sicht eines anderen Gesellschafters. Dadurch werden Zweifel aber auch Intrigen sehr offensichtlich. Als Leserin kann ich mitleiden, mitfluchen, mitfeiern.

So sehr mich das Thema des Buches angesprochen hat, das Ende fand ich irgendwie enttäuschend. Hier hat mir der Schwung und die Spannung gefehlt. Andererseits habe ich aber auch keine Idee, wie man die Story anders hätte auflösen können.

Ich hätte übrigens sehr gerne mehr darüber gelesen, wie das mit den Sensoren funktionieren soll. Also wie die Parameter für die Auswertung genau erfasst werden. Aber vermutlich ist das bei einem fiktiven Produkt eher schwierig.

Wer jetzt neugierig ist: Lesen! Spannend mit ein bisschen gruselig.

Artur Dziuk

Artur Dziuk wurde 1983 in Polen geboren. Er studierte in Berlin und machte den Master of Arts im Literarischen Schreiben an der Universität Hildesheim. Er gilt als eines der neuen jungen literarischen Talente: 2013 war er Finalist beim 21. open mike, er erhielt verschiedenste Stipendien und nahm an der Schreibwerkstatt der Jürgen Ponto-Stiftung teil. ›Das Ting‹ ist sein Romandebüt. Heute lebt er in Hamburg.

Buchinfo: Das Ting von Artur Dziuk, erschienen bei dtv, 16. September 2019, 464 Seiten, gebunden, € 18,00, ISBN 978-3-423-23006-3. Danke für das Leseexemplar.


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