Ayaana lebt mit ihrer Mutter auf einer Insel vor der Küste Kenias. In ihrer kleinen Welt ist sie eine Außenseiterin. Weil sie keinen Vater hat. Weil sie neugierig auf das Leben ist. Das ändert sich, als ein alter Matrose auf die Insel kommt.
Als Matrose hat Muhidin viel von der Welt gesehen. Auf der Insel Pate vor der Küste Kenias strandet er nicht ganz freiwillig. Zurückgezogen und von den Bewohnern misstrauisch beäugt, lebt er in seinem Haus und widmet sich seinen Büchern. Das ändert sich, als die kleine Ayaana wie ein Wirbelwind durch sein Leben fegt. Auch das Mädchen und seine Mutter sind Außenseiterinnen im Dorf. Weil der Vater fehlt und die Mutter mit Kosmetika ihren Unterhalt verdient.
Schnell ist klar, Muhidin und Ayaana sind Seelenverwandte. Der alte Matrose wird erst zu ihrem Lehrer, dann “adoptiert” das wissbegierige kleine Mädchen ihn als Ersatzvater. Gegen seinen Willen und erst recht gegen den Willen ihrer Mutter. Und misstrauisch beäugt von der Dorfgemeinschaft.
Jahre Später. Ayaana ist fast erwachsen. Sie beschließt, die Insel und ihr altes Leben zu verlassen. In China will sie studieren und ihr Leben neu beginnen. Doch die Rechnung geht nicht auf, denn Ayaana nimmt ihre Altlasten mit und die muss sie erst aufarbeiten.
Lasst euch auf die Bilder ein
Das Meer der Libellen ist so wunderschön geschrieben. Unglaublich atmosphärisch, unglaublich emotional. Yvonne Adhiambo Owuor hat in meinem Kopf ein Bild nach dem anderen gezeichnet. Ich konnte Ayaanas Ausgrenzung und ihre Verletzungen fühlen, aber auch ihre grenzenlose Lebendigkeit und Freude. Daran hat auch Simone Jakob einen großen Anteil, die das Buch so feinfühlig und liebevoll übersetzt hat.
Warum ich trotzdem nicht so den richtigen Zugang zu diesem schönen Buch gefunden habe, kann ich nicht genau sagen. Ich glaube, es lag daran, dass ich aktuell sehr viel arbeite und das in einen fordernden Umfeld. Wirklich abzuschalten ist gerade nicht so einfach. Aber wenn, dann bin ich als Fan einer dermaßen malerischen Sprache auf die Insel Pate gereist und habe Ayaana bei ihrem Spiel mit den Wellen begleitet, mit ihr gejubelt aber tatsächlich auch geweint, wenn sie wieder eine Verletzung erfahren hat.
Nehmt euch die Zeit und genießt. Das Meer der Libellen passt perfekt in die Jahreszeit. Kerzen an, Tee gekocht und einen schönen Wein eingeschenkt und ab auf die Couch damit.
Yvonne Adhiambo Owuor
Yvonne Adhiambo Owuor wurde 1968 in Kenia geboren. Ihre Kurzgeschichten erschienen in internationalen Literaturmagazinen. 2003 wurde sie mit dem Caine Prize for African Writing ausgezeichnet. Ihr Debütroman ›Der Ort, an dem die Reise endet‹ (DuMont 2016) stand auf der Shortlist für den Folio Prize, außerdem erhielt sie dafür den Jomo Kenyatta Prize for Literature. ›Das Meer der Libellen‹ ist ihr zweiter Roman. Yvonne Adhiambo Owuor lebt in Nairobi.
Übersetzung: Simone Jakob
Buchinfo: Das Meer der Libellen von Yvonne Adhiambo Owuor, erschienen bei Dumont, 22. September 2020, 608 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen, € 24,00, ISBN 978-3-8321-8114-7. Danke für das Leseexemplar.
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