Arne Jensen: Etwas verborgen Schönes

Ottilie Rabe, von allen nur Lili genannt, ist eine starke, unabhängige Seniorin und damit das große Vorbild ihrer Enkelin Nairi. Als sie verkündet, ein altes Gut in Brandenburg zu einer Stiftung auszubauen, zweifelt die Familie, ob das klappen kann. Doch Lili will ihre Vergangenheit aufarbeiten.

Berlin, 1944. Ottilie Rabe findet ihren Vater erschlagen in seinem Bett. Der Schock ist so groß, dass sie sich nicht mehr erinnern kann, was in den Minuten davor geschehen ist. Was außer Zweifel steht: Der Vater, ein hoher Nazi-Funktionär, war kein guter Mensch. Er war kokainsüchtig und hat Frau und Kinder geschlagen. Kann es sein, dass sich Ottilie gerächt hat?

Kriminalrat Werner Beltheim vertraut bei den Ermittlungen seiner Intuition. Je mehr seine Recherchen zum Vorschein bringen, desto überzeugter ist er, dass die Nazis selbst die Finger im Spiel haben. Er versucht alles, Ottilie vor den Verhören der Gestapo zu schützen.

Uckermark, 2022

Lili Rabe eröffnet ihrer Familie, dass sie auf Gut Torchau eine Stiftung einrichten will. Neben einem Museum für ihre liebevoll restaurierten Möbel soll es ein Studio für ihre Tochter – eine Bildhauerin – geben. Außerdem eine Werkstatt für ihre Enkelin Nairi, die Lilis Leidenschaft für alte Möbel geerbt hat und diverse Ausbildungsmöglichkeiten für junge Menschen aus schwierigen Umfeld.

Doch das ist nur eine Seite des Planes. Lili kennt Gut Torchau aus ihrer Jugend. Sowohl unter den Nazis als auch im DDR-Regime wurde sie verurteilt, auf dem Gut zu leben. Das junge Mädchen galt als aufmüpfig und unangepasst. Auf dem Gut sollte sie in die Gesellschaft “integriert” werden. Dass sie zufällig auf den Verkauf aufmerksam wurde, sieht sie als Zeichen, ihre Vergangenheit endlich aufzuarbeiten und mit ihrer Familie zu teilen. Eine Entscheidung, die die Verwandtschaft an den Rand dessen bringt, was sie verkraften kann.

“Anders sein” war nicht vorgesehen

Arne Jensen nimmt uns mit auf eine Reise in das Berlin der 1940er Jahre. Eine Zeit, die von Krieg, Angst und Unterdrückung geprägt war. Doch im Zentrum dieser Erzählung steht nicht nur das Leid, das die Nazis über die Menschen gebracht haben, im Zentrum steht auch das bewegte Leben eines jungen Menschen, für den weder bei den Nazis noch im DDR-Regime ein Platz zu sein schien.

Der Autor schafft es meisterhaft, die Atmosphäre des kriegszerrütteten Berlins einzufangen, mit einer Detailtreue, die sowohl erschütternd als auch faszinierend ist. Besonders verstörend sind die Passagen, die sich mit den Verhörmethoden der Gestapo auseinandersetzen. Diese Szenen sind nicht nur wegen ihrer historischen Genauigkeit bemerkenswert, sondern auch wegen der Art und Weise, wie Jensen die psychologische Dimension dieser Begegnungen auslotet.

Ebenso beeindruckend sind die mutigen Menschen, die heimlich Netzwerke knüpfen, um Verfolgte zu schützen und zu verteidigen.

Abschließend ist „Etwas verborgen Schönes“ ein Roman, der nicht nur wegen seiner packenden Handlung und seiner komplexen Charaktere beeindruckt, sondern auch wegen seiner Fähigkeit, Leserinnen und Leser zum Nachdenken über die menschliche Natur zu bewegen. Arne Jensen hat mit Etwas verborgen Schönes ein Werk geschaffen, das noch lange nach dem Umblättern der letzten Seite nachhallt.

Arne Jensen

Arne Jensen war lange Arzt und in der Traumatherapie tätig und interessierte sich schon früh für die jüngere deutsche Geschichte und deren Folgen für die Nachkriegsgeneration. „Etwas verborgen Schönes“ ist sein erster Roman im Heyne Verlag, in den er sein Spezialgebiet familiäre Kriegstraumata einfließen lässt. Arne Jensen lebt mit seiner Familie in Hamburg und Schleswig-Holstein.

Buchinfo: Etwas verborgen Schönes von Arne Jensen, erschienen bei Heyne, 13. Dezember 2023, 576 Seiten, Klappenbroschur, € 16,00, ISBN: 978-3-453-42653-5. Danke für das Leseexemplar.


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