Im Morgengrauen donnern schwere Fäuste an die Tür. Eine bewaffnete, türkische Antiterroreinheit stürmt die Wohnung, drücken die deutsche Journalistin Meşale Tolu, bedrohen ihren zweijährigen Sohn Serkan mit der Waffe und verwüsten die Wohnung. Für die junge Familie beginnt eine Zeit des Schreckens mit ungewissem Ausgang.
Die deutsche Journalistin Meşale Tolu wird in der Türkei der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Verbreitung von Terror-Propaganda beschuldigt. Ihr Mann wurde mit der gleichen Begründung bereits in Haft genommen.
Obwohl Meşale weiß, dass auch sie im Visier der türkischen Geheimdienste steht, trifft sie der Überfall im Morgengrauen bis ins Mark. Ihr Versuch, sich schützend vor ihren kleinen Sohn zu stelle, wird brutal verhindert. Mit Mühe und Not kann sie dafür sorgen, dass Freunde Serkan versorgen und ihre Familie in Deutschland informieren. Dann wird sie abgeführt.
Erdogans Terror-Regime schlägt zu
Was ihr vorgeworfen wird, ist lächerlich. Das weiß sie. Aber seit Erdogan die Türkei im Eiltempo in eine Diktatur verwandelt, ist dieses Wissen nicht mehr viel wert. Prominente Geiseln sind das Pfund, mit dem gewuchert werden kann. Die Gerichtsverhandlungen werden unberechenbar.
Und tatsächlich wird Meşale Tolu viele Monate lang in einem Frauengefängnis inhaftiert. Erst von ihrem Sohn getrennt, dann nimmt sie ihn zu sich, weil er die Trennung anfangs einfach nicht verkraftet. Für ihn bleibt sie stark. Unterstützung findet sie in der tollen Zellengemeinschaft mit anderen inhaftierten Frauen. Der Zusammenbruch kommt erst, als sie endlich wieder frei ist und ausreisen darf.
“Ich bin nicht mehr die Frau, die ich vor meiner Inhaftierung war.”, sagt sie selbst über sich. Zu tief war der Eingriff in ihre Privatsphäre, ihr ganz persönliches Umfeld, die eigene Wohnung, die einem doch alle Sicherheit der Welt geben soll.
Meşale Tolu lässt sich nicht mundtot machen
“Mein Sohn bleibt bei mir” von Meşale Tolu ist ein sehr persönliches Buch mit dem die Journalistin ihre Erlebnisse ein Stück weit verarbeitet. Und sie demonstriert damit, wie das aktuelle Regime in Ankara mit Kritikern umgeht. Man versucht mit allen Mitteln, egal ob real oder erfunden, sie mundtot zu machen und nachhaltig einzuschüchtern.
Bei Meşale Tolu und ihrer Familie hat das nicht geklappt.
|| Ich würde mich übrigens freuen, wenn ihr euch – bei Interesse – dieses Buch im regionalen Buchhandel bei euch vor Ort bestellt. Damit steigen die Chancen, dass wir Buchfans auch in Zukunft noch gelegentlich dort bummeln und stöbern können.||
Meşale Tolu
Meşale Tolu ist eine deutsche Journalistin und Übersetzerin kurdischer Herkunft. Sie wuchs in Ulm auf und studierte in Frankfurt Ethik und Spanisch. 2007 erhielt sie die deutsche Staatsbürgerschaft und legte zugleich die türkische ab. Ende April 2017 wurde sie in ihrer Istanbuler Wohnung von einer türkischen Antiterror-Einheit als „Terroristin“ verhaftet. Ihr Schicksal und das anderer in der Türkei inhaftierter Journalisten hat zahlreiche Medienberichte, Unterstützerkampagnen und diplomatische Aktivitäten ausgelöst. Am 18. Dezember 2017 wurde sie unter Auflagen aus der Haft entlassen, am 20.
August 2018 hob ein Gericht die Ausreisesperre gegen Tolu auf, erst zwei Monate später die gegen ihren ebenfalls inhaftierten Ehemann Suat Çorlu. Meşale Tolu lebt mit ihrer Familie in Neu-Ulm.
Buchinfo: “Mein Sohn bleibt bei mir!” von Meşale Tolu, erschienen bei Rowohlt Polaris, 23.04.2019, 192 Seiten Paperback, € 12,99, ISBN 978-3-499-00101-7. Vielen Dank für das Leseexemplar.
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