Corinna Mell: Marienfelde

Berlin Anfang der Fünfziger Jahre. Die 16-jährige Sonja profitiert vom Wirtschaftswunder im Westen der Stadt und hat klare Pläne für ihre Zukunft. Sie will nicht nur Ehefrau und Mutter sein, sondern auch ihr eigenes Geschäft führen. Als die DDR ihre Grenzen schließt, gerät ihr Leben ins Wanken.

MarienfeldeSonja kommt nach ihrer Großmutter, einer starken, unabhängigen Frau. Nach ihrem Tod scheint Sonjas Plänen nichts mehr im Wege zu stehen. Die alte Dame hat ihr einen beträchtlichen Geldbetrag vermacht, den sie für ihre beruflichen Pläne nutzen soll. Eine kaufmännische Ausbildung möchte sie machen und dann ihre Eltern im heimischen Fahrbetrieb unterstützen.

Willkommen auf der Bräuteschule

Als ihr Vater seine Chance nutzt, gemeinsam mit einem renommierten Autobauer ein florierendes Autohaus aufzubauen, muss Sonja ihr Pläne vorerst aufschieben. Weil von der Tochter eines erfolgreichen Autohändlers tadellose Manieren erwartet werden, soll sie nach der mittleren Reife auf eine angesehene “Bräuteschule” wechseln. Zähneknirschend fügt sich Sonja. Sie will den Eltern keine Steine in den Weg legen. Dass sie ausgerechnet hier zwei Menschen kennenlernt, die ihr Leben wesentlich beeinflussen werden, ahnt sie noch nicht.

17. Juni 1953. Von ihrem Onkel, einem überzeugten Anhänger Walter Ulbrichts, der im Osten der geteilten Stadt lebt, hat Sonja viel über soziale Gerechtigkeit und Ausbeutung gehört. Spontan beschließt sie, sich den Demonstrationen in der DDR anzuschließen. Tausende gehen für die Rechte der Arbeiter auf die Straße und werden von der Regierung Ulbricht brutal niedergeschlagen. Er schreckt auch nicht davor zurück, mit Panzern auf das eigene Volk zu zielen. Schockiert flüchtet Sonja zurück in den Westen.

So viel und doch so wenig hat sich getan

Corinna Mells Marienfelde hat mich von der ersten Seite an begeistert. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie wenig Möglichkeiten Frauen in den 50er Jahren noch hatten und welche Möglichkeiten uns heute offen stehen. Aber auch, wie viel noch zu tun ist. Gleicher Lohn für gleich Arbeit. Vereinbarkeit von Familie und beruflicher Entwicklung. Gute Versorgung und Ausbildung von Kindern, gerade auch für Alleinerziehende.

Mit den ersten Jahren der geteilten Stadt Berlin habe ich mich tatsächlich auch noch nie intensiver auseinander gesetzt. Als ich zur Welt kam, war die Mauer bereits der Status Quo. Klar wusste ich um die Repressalien und Bespitzelungen. Aber wie das Leben der Berliner vor dem Mauerbau aussah, war mir nicht präsent. Zum 70. Jahrestag der Bundesrepublik Deutschland die perfekte Lektüre.

Corinna Mell hat mit Marienfelde ein kluges und gleichzeitig emotionales Buch geschrieben, Das ich nur empfehlen kann.

Corinna Mell

Corinna Mell wurde Ende der fünfziger Jahre in der Nähe von Osnabrück geboren.

Ihre berufliche Laufbahn begann im Einzelhandel, und ihre ersten Versuche im kreativen Schreiben machte sie mit knapp 30 Jahren während der Schwangerschaft mit ihrer Tochter.

Corinna Mell lebt als freie Autorin in Berlin und in der Nähe von Köln. Ihre Begeisterung für Geschichte und Soziologie hat sie zu diesem Roman inspiriert.

Buchinfo: Marienfelde von Corinna Mell, erschienen bei Droemer, 27.12.2018, 480 Seiten, € 9,99, ISBN 978-3-426-30641-3. Vielen Dank für das Leseexemplar.


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